Tabak am Bachwasser
Denkst, du bist so schlau, Papa. Stehe am Bach, habe mit feigen Fischen zu tun. Erzählst mir aber vom Tabakgeruch und deinen Tabakdosen. Halte meine Hand ins Bachwasser, sehe Fische drunter wegtreiben. Reicht ein Kieselstein, um Fischschwärme aufzuschrecken. Sind Unterwasserfeiglinge. Dein Geruch erreicht das Bachwasser, Holzgerüche, Minze, einige Harze, denkst, dass du so schlau bist, Papa, wie du alles weißt über Tabakanbau, Tabakgeschichte und Tabakdosen. Erzählst mir das alles, höre nicht hin, habe versucht, Schmetterlinge auf die Fische anzusetzen. Sehen fliegend aus wie deine Tabakdosen, wenn sie sich in der Luft auf- und zuklappen würden. Finde, die hören sich gefährlich an: Schmetterling. Hör‘ mal kurz zu, Papa, ist mir aufgefallen, dass die Bachwasseroberfläche sich bewegt. Können nicht drauf navigieren, diese Schmetterlinge, diese Schmetterdosen. Wurde mir klar, dass ich Libellen wegen der Fische anheuern muss. Sehen fliegend wie in der Luft stehende, eingefrorene Silberplättchen aus. Hören sich gefährlicher an: Li-bellen. Jetzt weht wieder dieser Geruch von hundert Hölzern, hundert Welten, am Bach, dort, wo ich stehe und ich assoziiere gerösteten Kakao. Bist ja so schlau, Papa, wie du alles weißt über Tabakwürze. Libellen heben jetzt ab. Fliegen in voller Flughöhe bewegungslos über dem Bach. Bleiben so, mitten in der Luft. Jetzt aggressiver Selbstmordsturzflug auf das Bachwasser hinunter, durchbrechen die Bachwasseroberflächen wie geworfene Speere. Dort, wo Libellen ins Bachwasser einbrechen, ragt ein Wasserspeer in die Luft, um sofort wieder in sich zusammenzufallen. Hast es nicht gesehen, Papa, hast erzählt und erzählt. Siehst auch nicht, wie ich jetzt Tabak ins Bachwasser treiben lasse. Werde die Libellen in den Tabakdosen bestatten.
Michael Wehrmann
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